Man schrieb das Jahr 2000, als zwölf Nordwestschweizer Winzer die Idee eines Regioweines hatten. Das war die Geburtsstunde des Syydebändel.

«Anfang des 20. Jahrhunderts war Wein das sauberste Wasser, das man trinken konnte», erzählt Peter Corpataux, Präsident der Genossenschaft Syydebändel. Die Rebstruktur sei damals veraltet gewesen, und der falsche Mehltau und die Reblaus griffen die Stöcke an. Da der Wein nicht viel wert war und einen bescheidenen Ruf als sauberes Wasser hatte, überliessen die Winzer von damals die Reben mehr oder weniger ihrem Schicksal. Sie wandten sich einträglicheren Beschäftigungen zu.

«Mer posimente, dass mer vermööge z’buure, und mer buure, dass mer vermööge z’posimente», war ein geflügeltes Wort auf der Landschaft bis in die dreissiger Jahre hinein. Fast in jeder Bauerstube stand damals ein Webstuhl. Die Seidenbandweberei trug einiges zur Verbesserung des spärlichen Einkommens der Landbevölkerung bei. Wer keinen Webstuhl zu Hause hatte, suchte Arbeit in den Bandfabriken von Basel, Gelterkinden, Sissach oder Ziefen.

Der Tiefpunkt beim Rebbau wurde anno 1965 erreicht. Die Landweine hatten einen schlechten Ruf, und sie verkauften sich entsprechend schwierig. Nach Jahrzehnten des Rückganges erlebte der Rebbau ab 1970 eine Renaissance. Heute produzieren die Winzer aus der Region Basel und dem Fricktal rund vier Prozent des Schweizer Weines.«Das ist zuwenig, um sich national ein Gehör zu verschaffen», weiss Peter Corpataux. Für ihn war klar, dass ein besonderer Wein als Botschafter für die Region gekeltert werden musste. Die Grundidee des Syydebändel war geboren. Zwölf Winzer mit Reben in Sissach, Gelterkinden, Wintersingen, Buus, Magden und Maisprach schlossen sich in der Folge zur Genossenschaft Syydebändel zusammen. Sie wollten einen Wein keltern, bei dem die Traubenreife wirklich erreicht wird. Martini gilt als Stichtag für die Ernte,  der Syydebändel ist eine echte Spätlese.

Doch wie kamen die zwölf Winzer auf den Namen Syydebändel? Beginnen wir mit der Geschichte im 17. Jahrhundert. 1668 schmuggelte der Basler Wollweber Emanuel Hoffmann den ersten Kunststuhl von Holland her kommend über die Grenze nach Basel. Die Welt um ihn herum reagierte unterschiedlich. Die einen sahen den Fortschritt. Statt nur einem Seidenband konnten fortan 16 Bänder parallel gewoben werden. Die Zunft der Weber aber wehrte sich vehement. Sie sah sich in ihrer Existenz bedroht, konnten doch die meisten nicht einfach so auf die neue Technik umsteigen. In der Stadt verbot der Rat, die Zünfte stellten die Mehrheit, diese so genannten Bändelmühlen – zum Vorteil der Landschaft.

Die Basler Handelsherren exportierten mit grossem Geschick die Seidenbänder nach Paris und London. Das verdiente Geld investierten sie in neue Webstühle, die sie den Heimposamentern auf dem Lande in ihre Stuben stellten. Andere wiederum investierten im grossen Stil und bauten Fabriken. Bandfabriken entstanden nicht nur in Basel, sondern auch in Gelterkinden, Sissach und Ziefen. Sarasin, Vischer, Senn, Seiler waren die Namen der Fabrikanten, die alsbald auf dem Lande in aller Munde waren. Um 1880 erreichte die Posamenterei ihren Höhepunkt. Rund 5’000 Webstühle standen in den Fabriken und Bauernhäusern der Region.

Die Basler Handelsherren setzten so genannte Visiteure ein, die sowohl die Webstühle als auch die Seidenbänder bei den Heimposamentern kontrollierten. Wie ein Lauffeuer sprach sich jeweils die Kunde herum, wenn ein Visiteur ins Dorf kam. In mancher Stube offerierte man dem Gast ein Glas Wein. Seines geringen Gehaltes wegen liebten sie den Wein allerdings nicht besonders. «Ich traf teilweise kurlige Leute an», erzählte Werner Walther, der während über 50 Jahren für die Senn & Co. AG die Basler Landschaft betreute. Ihre offene und geradlinige Art schätzte er dafür umso mehr. Er half beim Einrichten der Webstühle und machte Reparaturen. Und alsdann kontrollierte er die Qualität der gewobenen Ware. So mass er die Breite der Bänder und inspizierte den Schuss. Hatte sich ein Fehler ins Muster geschlichen, schnitt er die Bänder unbarmherzig ab.

Noch 1940 ratterten die Webstühle in den Häusern auf der Landschaft. Die ganze Familie war in die Posamenterei integriert. Aber von den dreissiger Jahren an nahm das Interesse der Jungen an der Bandweberei ab. Im Krieg verboten Länder wie Frankreich und England den Import von Luxusgütern, zu denen der Seidenbändel gehörte. Auch der Rebbau musste noch immer hinten anstehen. Die Landesversorgung mit Grundnahrungsmitteln hatte Vorrang. Gegen Ende der sechziger Jahre rauften sich die Winzer zusammen, verbesserten die Kelterung und den Anbau. Der Erfolg liess nicht lange auf sich warten. Der Weintrinker gewann neues Vertrauen in die Landweine aus der Region. Und das wiederum motivierte die Weinbauern, jährlich neue Reben zu pflanzen.

Sowohl die Posamenterei als auch der Weinbau sind eng mit der Region Nordwestschweiz verbunden. Geradezu nahe liegend erscheint uns nun der Gedanke der zwölf Winzer, den Syydebändel zum Markennamen ihrer Weine zu machen.

Text von Ulrich Frei | Gelterkinden